Zurück aus den Flitterwochen, war mein nächster Gang zum Arbeitsamt. Mein Job war weg. Daher wurde es Zeit für etwas Neues. Zu dieser Zeit flammte meine Reiselust wieder auf und ich fragte die Damen vom Arbeitsamt, ob denn nicht eine Stelle in einem Reisebüro frei sei. Bald darauf erhielt ich ein Schreiben von ihr, mit dem Angebot für eine Stelle bei der US-Armee im Reisebüro. Ich war überglücklich. Voraussetzung waren allerdings sehr gute Englischkenntnisse in Wort und Schrift. Jetzt wurde es brenzlig. Mein Englisch war, sagen wir es mal gelinde, eine Katastrophe. Mein Notendurchschnitt in der Schule lag im Fünferbereich und das Wenige, das ich noch von meiner Zeit mit Miguel wusste, machte das Kraut auch nicht fett. Aber ich wollte diesen Job um jeden Preis. Ich sah meinen Traum in unmittelbare Nähe rücken, und das würde ich mir doch nicht von so ein bisschen Englisch zerstören lassen. Ich überzeugte die Dame vom Arbeitsamt. Ein paar Tage später hatte ich einen Vorstellungstermin in dem Reisebüro. Wenn Sie mich damals gefragt hätten, wie ich es geschafft habe, den Job zu bekommen, muss ich gestehen: „Keine Ahnung!“ Vielleicht hatte gerade ein englischsprechender Engel Dienst und hat mich dabei unterstützt. Wenn dem allerdings so war, dann hatte er später bei meinem Arbeitsalltag entweder keinen Bock mehr oder wurde vorzeitig gefeuert.
Heute würde ich es so erklären: Es war ein „Herzenswunsch“. Jede Zelle meines Körpers brannte für diesen Job. Ich wollte ihn um jeden Preis und würde alles in meiner Macht stehende tun, um ihn zu bekommen. Das ist eines der Geheimnisse des erfolgreichen Wünschens. Nichts ist so stark wie die Herzensenergie.
Mein erster Arbeitstag nahte und ich wusste vorher gottlob nicht, was mich erwarten würde. Voller Stolz, Vorfreude und nichtsahnend stolzierte ich ins Büro. Sogleich wurde ich zu Miss Nadine, meiner Vorgesetzten gerufen, die im Gebäude nebenan ihr Büro hatte. Miss Nadine war eine etwa 185 cm große Farbige. Eine sehr gewichtige Frau mit einem ebenso großen Herzen. Beschwingt betrat ich ihr Büro, setzte mich an den Tisch und nach dem üblichen „How are you?“ setzte sie einen Redeschwall in Gang, von dem mir ganz schwindelig wurde. Ich sah sie mit großen Augen und einem halboffenen Mund an und verstand nur Bahnhof. Oh Gott, wie kam ich aus dieser Nummer wieder raus?
Nach einer Weile guckte sie mich an und sagte: „You did’t unterstand any word I have told you, right?“
Ok, ertappt. Ich verstand zwar nicht die einzelnen Worte dieses Satzes, aber der Inhalt kam bei mir an. Ich spürte, wie meine Gesichtsfarbe allmählich zu einer vollreifen Tomate mutierte. Aus meinem Mund kam ein zaghaftes „Yes“, dass sich anhörte wie von einem im Stimmbruch befindlichen Jungen. Sie fasste sich mit beiden Händen an die Stirn.
Dann kam ein lang gezogenes: „A n d n o w?“
Ich zuckte mit den Schultern. Beherzt stammelte ich: „Please let me try it, I will do my best.”
In diesem Moment war wohl wieder ein Engel zugegen, wenn auch nicht der Englischsprechende. Jedenfalls hat der Engel ein gutes Wort für mich eingelegt. Sie gab mir trotz meiner kaum vorhandenen Englischkenntnisse eine Chance, und ich bekam den Job. Ich wäre ihr am liebsten um den Hals gefallen vor Erleichterung. Leider ahnte ich mal wieder nicht, dass es jetzt erst richtig heiß hergehen würde. Wir hatten noch keinen Internetanschluss im Büro und mussten alle Buchungen bei den Airlines und Reiseveranstaltern per Telefon machen. Apropos Telefon. Beim Klingeln des Telefons bekam ich jedes Mal Hitzewallungen, wie sie nur bei Frauen in den Wechseljahren vorkommen. Haben Sie schon mal mit einem Amerikaner telefoniert? Selbst wenn Sie in der Schule mal Oxfordenglisch gelernt haben und von sich glauben, gut englisch zu sprechen. Tun Sie es besser nicht. Als ich mal wieder alleine im Büro war, klingelte das Telefon. Ich schlich, wie die Katze vor dem Mauseloch eine Weile ums Telefon herum, in der Hoffnung, dass es wieder aufhöre. Tat es aber nicht. Also nahm ich letztendlich doch ab, lauschte kurz und legte dann ganz schnell wieder auf. Die folgenden Anrufe ignorierte ich mit nervösem Trommeln meiner Finger neben dem Telefon. Es hat geraume Zeit gebraucht, bis ich, ganz ohne Hitzewallungen, locker den Hörer abnehmen konnte und meinen Spruch: „ITT-Ansbach, Miss Schmid speaking“, sagen konnte.